Barbara Könches - media theorist


"The machine is actually part of man. Originally it is the child of his mind."
(links for Barbara Könches)

Was spielen Bilder in Deinem beruflichen Umfeld für eine Rolle?

a structure of thinking stands behind my relation to images

Ich glaube, daß die Bilder nicht nur in meinem beruflichen Umfeld eine wahnsinnig große Rolle spielen, als vielmehr generell wichtig für mich sind. Philosophisch betrachtet sind Bilder eigentlich wie die anderen uns umgebenden Qualia eine der möglichen Erscheinungsformen. Ich glaube viel eher, daß es eine Denkstruktur ist, die hinter meinem Bezug zu Bildern steht. Mein Zugang zur Welt ist im wesentlichen visuell bedingt. Das klingt jetzt sehr nach einem Klischee oder einer Plattheit - durch den iconic turn ist natürlich sozusagen alles visuell bedingt.

Aber trotzdem glaube ich, daß es so eine Art Preferenz im Gehirn gibt, wie man Informationen verarbeitet. Das erscheint mir auch ganz logisch. Ich habe zum Beispiel „ein schlechtes Gehör“. Ich hör nicht wirklich schlecht, sondern ich merke vielmehr, daß ich Informationen, die ich höre, sehr schnell verliere. Aber Informationen, die ich lese, vergesse ich eigentlich nie. Auch Bilder, Eindrücke sind Informationen, die ich relativ gut verarbeiten und abspeichern kann. Die anderen sind mir sehr flüchtig. Insofern glaube ich eher, daß es so eine Art Hardwareproblem ist.

Ich habe diese Woche auch mit Harald Lesch gesprochen. Der Fernsehprof erklärt in einer zwanzig Minuten Sendung die schwierigsten, kompliziertesten Vorgänge im All - aber ohne Bilder. Ich habe ihn natürlich darauf angesprochen, warum er denn keine Bilder zeige. Seine lapidare Antwort war. Bilder enthielten viel zu viele Informationen.

the bad thing about informations in images: you can't mediate them

Ja klar. Das schlimme an den Informationen im Bild ist nicht, daß die Informationen da sind. Das Schlimme an den Informationen im Bild ist, daß sie sich nicht vermitteln lassen. Das ist ein ganz heikler Punkt, daß man erstaunlicherweise auch heute noch – obwohl es unbegreiflich ist – davon ausgeht, daß man Bilder in Worte fassen könnte. Und dementsprechend werden Bilder nach wie vor behandelt. Bilder sind dermaßen komplex und sie sind auf der anderen Seite dermaßen individuell. Natürlich gibt es eine obere Schicht, die einem common sense entspricht. Wir können uns über Bilder unterhalten. Ich bin mir ganz sicher, wir sehen nie die gleichen Farben. Aber wir sehen ähnliche Farben. Wir sehen auch ähnliche Gegenstände, Formen, Strukturen, was auch immer.

a certain inner imagination has got lost by the iconic turn

Wenn man sich das Gehirn mit seinen Strömen vorstellt, dann mag das ja angeregt werden. Es schwingt da im wahrsten Sinne auch einfach viel mehr an Information noch mit, die man eben nicht in Worte fassen kann. Da kann ich den Professor Lesch sehr gut verstehen. Nur, was ich witzigerweise beobachte, ist, daß die meisten Leute gar nicht mehr in der Lage sind, zuhören zu können.Wenn man ein Symposium besucht, stellt man ganz schnell fest, daß die Referenten, die keine Bilder im Gepäck haben, bald alleine sind - da können die noch so gut sein. Durch den iconic turn, die vielen Bilder, denen man sich jeden Tag aussetzen muß, geht eine gewisse innere Imagination völlig verloren. Worte, die man ja auch als Klangbild oder Sprachbild beschreiben kann, verlieren einfach an Wirkung und Stimulanz. Sie werden einfach nicht mehr ins Visuelle rückübersetzt.

Wir hatten es in unserem Vorgespräch von der Hängungsweise hier im ZKM. Hier wird ja sehr dicht gehängt wird.

Enzyklopädisch.

Natürlich ist eines der Ziele hier am ZKM sich viel mit neuen Arten von Bilder auseinander zu setzen. Dazu gehört ja maßgeblich einmal das elektronische Bild. Aber bemerkenswert ist doch, daß gerade beim ZKM, trotzdem die Kataloge eigentlich immer dicker werden?

the time decides which medium is adequate for a certain purpose

Ich denke, daß die Zeit genau herauskristallisiert, welches Medium zu welchem Zweck wohl am sinnvollsten ist. Es hat sich gezeigt, daß das Buch eben ein sehr langlebiges, zuverlässiges Speichermedium ist.
Es gibt aber auch ganz andere Bedürfnisse nach Informationen, die das Buch gar nicht bereitstellen kann. Schnelle, kurze, präzise Information erhalte ich über das Netz viel einfacher. Natürlich habe ich auch eine filmische Information viel präziser auf einer DVD als in einem Katalog mit ein paar Stills.
Es geht eigentlich wieder um eine kulturgeschichtliche Fragestellung. Wenn ich thematisieren will, dann bin ich mit einer DVD besser dran. Aber um diesen menschlichen Geistesspeicher, sozusagen, einzurichten, glaube ich, ist das Buch oder das Papier als solches nach wie vor das Beste, das Zuverlässigste.

Eine interessante Frage, die gerade im Gespräch mit Reinhard Wilhelm, dem Direktor von Schloß Dagstuhl, aufkam, war, warum man in der bildenden Kunst denn stets immer so mathematische Berührungsängste hat. Diese Berührungsängste scheint es am ZKM gerade nicht zu geben: Ihr habt im Moment eine Ausstellung zum Thema Algorithmus, im Oktober gab es sogar ein Symposion hierzu.

the fears of the arts touching sciences are caused by a historical dilution

Diese Berührungsängste liegen in einer historischen Verklärung begründet, die stattgefunden hat, nachdem Kant mit seiner ästhetischen Theorie dermaßen viel Erfolg hatte. Ganz essentiell liegt ihr zugrunde, daß das Künstlergenie dasjenig ist, welches Kunst produzieren kann. Weil die Kunst als solche eben zweckfrei sein muss.

Das interesselose Wohlgefallen.

Like arts mathematics is nonutility. But it arises not from a genius, because it is comprehensible.


artificial antipodes: arts - sciences,
arts - market

Da kommen wir jetzt schon ins Dilemma. Mathematik ist ja in einem gewissen Sinne auch zweckfrei. Aber sie entspringt keinem Genius, denn Mathematik ist nachvollziehbar. Damit ist das geniale Moment eigentlich schon wieder ausgeschlossen, auch bei demjenigen, der sozusagen auf die Idee kommt, einen mathematischen Beweis zu führen.
In der Antike und in der Renaissance war der Künstler, der Wissenschaftler, der Ingenieur noch eine Person. Aber dann kommt im 18. Jahrhundert die Aufklärung mit der im Prinzip sehr strengen Einteilungen, was nun rational ist und was nicht. Das hatte Vor- und Nachteile. Die großen Nachteile hat Foucault [Was ist Aufklärung?] aufgedeckt - unter anderem den, daß man eine künstliche Grenze in diesem Bereich gezogen hat, die so nicht wirklich vorhanden ist und eigentlich auch nie war. Der Rest ist Geschichtsschreibung, Sozial- und Kulturgeschichte. Ich glaube, daß eine Verklärung stattgefunden hat, um die Grenze zwischen Natur- und Geisteswissenschaft aufrecht zu erhalten. Der Kunst wurde ohne diesen eigentlichen Zusammenhalt mit Technik und Wissenschaft ein bißchen der Boden unter den Füßen weggezogen.Um sie zu legitimieren, mußte man sie ganz oben ansiedeln und hat ihr dann das Metaphysische zugesprochen. Dadurch hatte die Kunst zwar jetzt wieder, sagen wir mal, eine Lebensberechtigung, die in der Realität durch den Kunstmarkt funktioniert. Das ganze Getriebe konnte aber nur aufrecht erhalten werden, da das eine das andere ausschließt und man Berührungen vermied. So kam es zu den Antipoden Kunst-Wissenschaft, Kunst-Markt.

Wobei das, was die Postmoderne ja bei Kant im Bereich der Ästhetik wiederentdeckt hat, sich jetzt nicht auf das Schöne bezieht, sondern auf das Erhabene. Kant unterscheidet hierbei zwischen dem mathematischen Erhabenen und dem dynamischen Erhabenen. Da sieht es aber nicht relativ gut aus für...

a problem of the sublime: not made by man

Ja, das Problem bei dem Erhabenen ist ja das, daß es kein Menschenwerk ist.

Da wird´s eigentlich für die Kunst ziemlich eng. Aber nicht unbedingt für die Naturwissenschaften, die zumindestens versuchen, das quantitativ zu erfassen.
Dieser Aspekt der Erhabenheit wurde für mich kürzlich bei meinem Besuch der Sternwarte in Südamerika ziemlich deutlich. Ich glaube, das ein Großteil dieser Hightech-Anstrengungen in der Wüste in einer gewissen Sehnsucht nach Erhabenheit begründet liegt. Dieser ins All gerichtete Blick, habe ich dort als eine Schau in eine erhabene Zeitdimension erlebt.


the discussion aobut arts and sciences is not new: yet Ernst Mach made an attempt to relate them

Ja, das ist aber mit diesem Naturschönen immer so. Da fängt aber genau das Problem an, daß man anfängt, aufzusplitten. Was macht der Naturwissenschaftler? Der Naturwissenschaftler sucht nach Regelmäßigkeiten. Und das Schöne ist, daß der Naturwissenschaftler Regelmäßigkeiten findet und sich an diesen erfreut, um dann festzustellen, daß es Dinge gibt, die mit Regelmäßigkeiten nicht zu erklären sind und das ist dann das Erhabene.
Dann sind wir aber wieder genau an dem Punkt, was der Künstler im Prinzip auch macht. Der Künstler versucht ja auch gewisse Strukturen zu finden, um dann aber über die Strukturen hinaus, uns zu vermitteln, daß es Dinge gibt, die eben, sagen wir mal, nicht in diese Struktur passen, da sie metaphysisch, surrealistisch oder einfach unstrukturiert sind, dem Zufall oder der Imagination überlassen sind. Im Prinzip treffen sich Naturwissenschaftler und Künstler dahinten wieder. Das Ziel ist das gleiche. Der Ausgangspunkt ist eigentlich auch der gleiche. Aber er ist historisch gesplittet worden. Das merkt man schon in der Ausbildung. Die einen gehen dann auf die Ingenieurfachhochschulen und die anderen gehen eben in die Akademie.
Natürlich ist die Methode eine andere. Aber das spricht ja auch nicht dagegen, daß man gemeinsame Interessen verfolgt und eigentlich gemeinsam den Dingen auf den Grund gehen will.
Die ganze Diskussion über Kunst und Wissenschaft ist ja nicht neu. Schon Ernst Mach hat versucht, die Naturwissenschaften wieder an die Geisteswissenschaften anzulehnen. Die ganze Wissenschaftsphilosophie ist darauf hin erst ins Rollen geraten und man merkte allmählich, daß Naturwissenschaft nicht vom Himmel fällt und Gott gegeben ist - zumal ja alles rationalistisch sein sollte -, sondern, daß das auch wiederum Konstrukte sind. Konstrukte sind menschliche Gebilde. Also heißt das, man erkennt sich als Mensch wiederum selber. , auch in den Naturwissenschaften. Das ist alles so ein Teufelskreis, eigentlich eine Spirale…

Wobei ich beobachte, daß das Verhältnis von Mensch und Maschine sich in den Wissenschaften sowohl von soziologischer also auch technologischer Warte ganz anders darstellt. Mit der Imachination versuche ich begrifflich zu fassen, daß viele Menschen über die Maschine in einem kooperativen Prozeß stehen. Diese Verwebung von Mensch und Maschine kann ich bislang bei Künstlern nicht beobachten.

the scientist has to know how to control a machine - an artist doesn't, thats for sure a mistake in the art system

Ich glaube, daß gute Medienkunst genauso eng in der Kooperation Mensch-Maschine entstehen kann. Das sieht man auch an Werken, wie poetry machine von David Link, die gerade bei uns in der Ausstellung „Die algorithmische Revolution“ zu sehen ist. Aber in der Medienkunst kam für lange Zeit der direkte Kontakt zur Maschine selten zustande. Der Künstler veranlaßte einen Programmierer, nach seinen Vorgaben die Kommunikation mit der Maschine zu bewerkstelligen. Diese Aufteilung ist vielleicht auch eine sozial und historisch gewachsene Komponente. Nach wie vor sind mit Wissenschaft und Kunst zwei Systeme etabliert. Der Wissenschaftler muß dabei die Maschine bedienen können, der Künstler nicht. Das ist bestimmt ein Fehler im künstlerischen System.

Wobei es mir nicht um Arbeitsteilung in dem Sinne geht, andere mit etwas zu beauftragen. Unter Imachination verstehe ich nicht einzelne nebeneinander agierende Subjekt, sondern ein Ineinanderwirken von einem Komplex von Subjekten in der Maschine.

in the sense of Deleuze you think with the machine, and the machine acts for you

Der entscheidende Aspekt ist eigentlich der, daß Du quasi schon im Deleuzeschen Sinne mit der Maschine denkst, und die Maschine für Dich handelt. Es ist schwer das in den eigentlichen Worten wie Kooperation, Zusammenarbeit oder des sich-zunutze-Machens zu beschreiben. Es handelt sich um eine Art Paradoxalstellung, weil es ja darum geht, daß man auf die Zufälle der Maschine reagiert und umgekehrt, daß man wiederum die Maschine in ihrer Berechenbarkeit unterläuft. So entstehen ja neue Dinge. Deswegen muß ich einfach mit den Apparaten, mit der Logik, mit der Technik umgehen können. Diesbezüglich gibt es nach wie vor eine Differenz. Arbeitsteilung im klassischen Sinne ist da sicherlich ein Störfaktor, der natürlich vieles verhindert. Eine zufällige Korrelation wird beispielsweise gar nicht bemerkt oder kann nicht übermittelt werden. Dadurch entfällt eine Spontaneität.

Ich sehe die Maschinen nicht mehr als nur ein technisches Gegenüber, sondern als Produkt, daß sich mit und durch die Beteiligten verändert.

why should man live in fear from machines when he constructed them?

Ja, die Maschine ist eigentlich Teil des Menschen. Die Maschine ist nicht von Gottes Gnaden auf die Welt geschickt worden, sondern vom Menschen konstruiert. Sie hat aber auf der anderen Seite eine Komplexität erreicht, durch die sie ein Eigenleben durchaus aufnehmen kann. Die Frage ist, wann die Maschine sozusagen in der Lage ist, autonom und unabhängig vom Menschen zu handeln. Der Film „Bladerunner“ ist eines von vielen Beispielen.
Bislang kann die Maschine es definitiv nicht. Aber warum sollte der Mensch sich überhaupt Angst machen, wenn er sie doch selber programmiert hat? Sie ist ursprünglich in dem Sinne seines Geistes Kind. Die begrifflichen Aufspaltungen wie zwischen Mensch und Maschine sind eigentlich immer nur theoretischer Natur, um sich Dinge bewußt zu machen und nicht aus dem Auge zu verlieren. Das fängt damit an, daß der Mensch sich selber ursprünglich aufgespalten hat in Geist und Körper. Aber was ist ein Körper ohne Geist - eine leere Hülle oder ein Stück Fleisch. All das worüber wir uns unterhalten kann ja nur das Lebendige sein. Das ist immer ein Konglomerat aus ganz unterschiedlichen Materialien und Ingredienzien und Idealismen. Natürlich ist es ein Problem, dies in Sprache zu fassen und darüber sprechen zu können.

Klar. Gerade hatte ich einen soziologischen Einwand angeführt. Der andere ist eher technologischer Natur im Hinblick auf die heutigen Bildproduktionsmaschinen in den Wissenschaften. Im Vergleich zu gewaltigen Komplexen wie z.B. dem CERN sieht die Medienkunst ziemlich „klein mit Hut“ aus hinsichtlich dessen, was sie technologisch zu bieten hat. Ich meine damit nicht nur die Maschine sondern auch diese Brainpower von Tausenden von Leuten, die dort tatsächlich zusammen arbeiten. Meine Frage wäre: Wie kann man da von Kulturseite, von der künstlerischen Seite drauf reagieren?

the artist has the problem that he reflects the same subjects like the scientists but on a metalevel

Es gibt hier rein ökonomische und Machtfaktoren. Der Künstler wird nicht von sich aus in diese Maschinerie – im wahrsten Sinne des Wortes – eingreifen können, wenn er nicht dazu eingeladen ist. Denn die Machtverhältnisse liegen einfach so, daß diese bildgebenden Apparate, natürlich nicht bezahlt werden, weil man bunte Bilder herstellen will oder weil man sich über Bilder Gedanken machen will, sondern weil immer ein Interesse der Allgemeinheit im Vordergrund steht, das mit sämtlichen moralisch-ethisch-religiösen aber natürlich auch pragmatischen Absichten unterfüttert ist.
Der Künstler hat das Problem, daß er eigentlich immer auf dieser Metaebene – mitunter auch die gleichen Themen – reflektiert. Das heißt, der Künstler kann, im Idealfall soll er, dem Wissenschaftler sozusagen beistehen, in dem Sinne, daß er zum einen an der Fortentwicklung mittätig ist, zum anderen aber natürlich auch wie so eine Art kritische Instanz sagen kann, da geht ihr vielleicht zu weit oder da mißdeutet ihr das Bild.
Also wenn man diese vielen Hirnforscher anschaut, die immer rote Felder als „...“ und blaue Felder als „...“ deuten, ist das einfach nur eine Frage der Bildgebung und der Interpretation und hat eigentlich nichts mit ihrem Befund zu tun. Das ist natürlich eine Stelle, wo der Künstler kritisch eingreifen kann und frägt: Seht ihr das wirklich? Oder seht ihr eigentlich ein Bild, das ihr uns so und so erklärt? Der Künstler muß hierfür diese Maschinen nicht unbedingt bedienen können, aber benötigt den Zugang zu ihnen und zu dem damit verbundenen Wissen.
Er kann nicht außen stehen und dann sozusagen von oben herab – aus einer sagen wir mal, traditionellen kunsthistorischen Perspektive – seinen Kommentar abgeben. Das wäre völlig verfehlt. Sondern das muß wirklich ganz unten an der Basis ansetzen. Aber ich glaube eben an dieser Basis besitzt der Künstler im herkömmlichen Sinne nach wie vor diese Schulung in Wahrnehmungsfragen, die vielleicht der Wissenschaftler nicht hat, sich aber zunutze machen könnte, um seine Ergebnisse auch besser zu verstehen.

Ist der Künstler nicht die geeignete Schnittstelle, um die Kluft zwischen Kultur und Naturwissenschaften zu überbrücken? Schließlich hat er auf der einen Seite den kulturwissenschaftlichen Hintergrund und auf der anderen Seite diesen bildpraktischen Hintergrund.


Malevich's Black Square, 1914, oil on canvas, 105 x 105 cm

The black square as an archetype of the pixel?

Ja, aber das bringt immer dann nichts, wenn aufgrund seiner Kompetenz sozusagen in den Prozeß eingeschleust wird, weil es dann einfach zu hierarchischen Problemen kommt. Ich glaube viele eher, daß es ein Prozeß ist, der von beiden Seiten ausgehen muß. Erst wenn die gemeinsame Sensibilität von Wissenschaftlern und Künstern erreicht ist, ist auch ein Gespräch möglich.
Der Künstler muß natürlich Einblicke in die Wissenschaften, aber auch in die Methodiken und in die Techniken bekommen und sich auch darum bemühen. Der Wissenschaftler muß umgekehrt genauso im Sinne des renaissancegebildeten Universalgenies zumindest mal Augen und Ohren aufmachen,was es denn noch außerhalb der Wissenschaft gibt. Dann wird er auch ganz schnell feststellen, daß manche Formen und Strukturen schon lange existieren. Wie z.B. der Einwand von Horst Bredekamp, daß das kleinste Pixel eben ein Viereck ist, das im Prinzip bei Mondrian spätestens schon vorgegeben war. Wenn man diese reine Formfragen fortspinnt, landet man beim russischen Konstruktivismus: Das schwarze Quadrat von Malewitsch ist eigentlich die letzte Bildeinheit, die wir heute haben.
Für diese Verschachtelung von Dingen benötigt man einen Blick, ein System, das diesen Austausch ermöglicht oder umgekehrt Brücken baut. Nicht jeder kann Experte in allem sein, aber man kann umgekehrt diese Interdisziplinarität ausbauen. Hierfür braucht man Schnittstellen insbesondere personeller Natur, daß gewisse Leute Kommunikation übernehmen. .

Wobei ich nicht ganz nachvollziehen kann, daß gewisse technologische Formen wie der Pixel formal in der Kunst vorgegeben worden seien. Ich frage mich umgekehrt, ob nicht technische Bilder wie die Röntgenbilder oder abstrakte Bilder, die von der Relativitätstheorie oder von der Quantenphysik, nicht viel einschneidendere Modellierungen am Weltbild darstellen als diejenigen, die uns die Kunst tatsächlich im 20. Jahrhundert zu bieten hatte.

the connection between a phenomenon discovered in the sciences and an articulation formed in the humanities results in a new insight

Die Frage ist doch völlig irrelevant. Im Prinzip ist das so ein Kinderspiel, wer denn nun den Anfang gemacht hat. Darum geht es ja gar nicht. Das Quadrat von Malewitsch war ja nicht vorgegeben, weil der gedacht hat, eines Tages werden wir den Pixel haben. Sondern es geht eigentlich darum, daß man immer wieder Spuren von Phänomenen entdeckt. Also lassen wir es einfach mal bei dem Wort „Phänomen“ - egal ob das jetzt ontologisch in die eine oder die andere Sparte gehört. Es geht nur darum, daß man eigentlich beobachtet, daß man immer wieder auf das Gleiche trifft. Gewisse Formen trifft man in der Kunst ebenso wie in der Naturwissenschaft an. Überlegungen, Methodiken sind einmal virulent, werden aufgegriffen und irgendwann verschwinden sie. Schließlich kommen sie in einer veränderten Gestalt zum Vorschein.

Diese Machtspielchen, die da aufkommen, sind eigentlich nicht wirklich interessant. Interessanter ist die Frage, wie diese Formen, diese Strukturen, umgekehrt die Methodiken uns immer wieder begleiten, uns immer wieder in Erscheinung kommen. Es ist doch mitunter so, daß eine Verknüpfung zwischen einem in der Naturwissenschaft festgestellten Phänomen und einer in der Kulturwissenschaft weiter geformten Artikulation einfach eine neue Einsicht bringt. Das darf durchaus kontrovers und hart zugehen. Schnittstelle muß nicht immer per se positiv besetzt sein, sondern es geht wirklich darum, sich miteinander auseinander zu setzen und auch mal Fronten aufzubauen.

Florian Dombois hat in seinem Vortrag während des Symposiums "unSICHTBARES. Kunst_Wissenschaft" im Oktober 2004 Duchamp eher als Gegenbewegung zur Relativitätstheorie von Einstein interpretiert. Er betonte, daß im Unterschied zur Wissenschaft es bei Duchamp nicht mehr primär um Erkenntnis gehe, wenn er den Kontext verschiebt.

In Duchamp's ouevre cognition/knowledge is as central as in the work of Einstein.

Das stimmt ja nicht. Es geht Duchamp ja genauso um Erkenntnis wie Einstein auch. Es ging darum, daß Duchamp durch diese kleine und unscheinbare Geste eigentlich klar gemacht hat, was um die Kunstwerke außen herum passiert: Daß da nämlich ein Riesenapparat an Institutionen, an Interessen, an Einflußverteilung, an Macht ist. Da ist es eigentlich egal welcher „Gegenstand“ in diesem Museum steht, aber er kann eben nur deswegen da stehen und funktionieren, weil es diesen Apparat gibt. Diese Erkenntnis hat das ganze Kunstsystem revolutioniert. Also hätte er ein neues Werk gemacht im klassischen Sinne wäre nichts passiert.

Einer der maßgeblichen Gründe bei der Schaffung des ZKM war es, Künstlern den Zugang zur Technik zu ermöglichen. Durch die rasante Entwicklung von Computer und Elektronik hat sich das ja sehr relativiert, weil man heute unglaublich viel bereits mit einem Laptop machen kann. Wie reagiert das ZKM auf diesen Wandel?


ZKM as human interface mediating between production and discussion

Prinzipiell dadurch, daß wir versuchen, genau die vorhin diskutierte Schnittstelle viel stärker zu besetzen. Du hast völlig recht, daß das ZKM ursprünglich auch als Produktionsstätte diente. Aber im Großen und Ganzen spielt das, was Silicon Graphic bereitgestellt hatte und sich ehedem kein Normalsterblicher leisten konnte und eben hier zu finden war, heute keine Rolle mehr. Im Speziellen gibt es noch interessante Maschinen, wie z.B. die recht teure Schnittmaschine „Inferno“, die für Künstler reizvoll sein können.
Aber eine wesentliche Rolle spielt, daß Peter Weibel zum Beispiel auch Hans Diebner in das Institut für Grundlagenforschung aufgenommen hat. Also man versucht jetzt nicht nur über die Maschinen, sondern eigentlich viel mehr wieder über die Menschen, den Zusammenfall zwischen Produktion und Diskussion zu bewerkstelligen.

Und Ihr schafft Schnittstellen und Diskussionsforen auch mit den zahlreichen Symposien und öffentlichen Veranstaltungen.

there are few good artists working really with machines

Wenn man das nicht über die Maschine als solche verankern kann, muß man es vielleicht stärker über die Person verankern. Generell ist die Medienkunst im Moment relativ schwach bestellt, das war ja der Anfang unserer kleinen Diskussion. Die erste Euphorie ist verblaßt und so richtig will da auch nichts nachwachsen. Da ist es notwendig zur Diskussion zu stellen, ob es diese Medienkunst noch gibt und wenn ja, was sie bieten kann. Was es gibt, sind nach wie vor Künstler, die den ganzen sowohl technischen als auch medienbasierten Umgang im Alltäglichen kritisch begleiten. Aber Künstler, die richtig an der Maschine arbeiten, gibt es eigentlich wenige guteGute.

Eine abschließende Frage: Was ist Dein Lieblingsbild zu Hause?

Ich habe zu Hause nur ein Bild aufgehängt. Es ist ein altes Bild, das meine Großeltern von ihrem Nachbarn gemalt bekommen haben. Und das ist eine Waldlichtung. Also, man würde sagen, es ist der herrlichste Kitsch. Es ist genau so ein „röhrender Hirsch“, den man total verdammt. Das ist das einzige Bild, das ich zu Hause überhaupt zulasse. Zu allen anderen Bilder habe ich irgendwie ein anderes Verhältnis. Aber das ist das einzigste ganz persönliche Bild, das auch jenseits jeder geschmacklichen Diskussion steht, sondern einfach nur ein Tor in eine ganz andere Welt öffnet.

interview from 10 December 2004 & 18 February 2005 at ZKM Karlsruhe

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Ethik und Ästhetik der Werbung -
Phänomenologie eines Skandals
Peter Lang Frankfurt a. M. 2001. 3-631-37220-5