Lutz Priese - computer scientist







"For me images are more a sound, they don’t need to have a meaning"

(links for Lutz Priese)
Ich bin Lutz Priese von Koblenz und ich habe dort das Institut für Computervisualistik gegründet. Computervisualistik ist eine Wissenschaft um den Computer und das Bild - beide sind die Schwerpunkte einer Ellipse. Den Titel, den man als Absolvent erhält, ist DiplominformatikerIn, das ist also bei uns ein Teilgebiet der Informatik mit Schwerpunkt Bild.
Was genau spielen Bilder für eine Rolle in Ihrem beruflichen Umfeld?
an extensional pictorial notion: in the most abstract form images are just that, what you see
Wir haben einen viel allgemeineren und abstrakteren Bildbegriff als auf dieser Tagung, als er hier auf der Tagung zur Sprache kam. Bei uns ist ein Bildbegriff extentional, d.h. etwas ist ein Bild völlig unabhängig davon, was dargestellt wird. In der abstraktesten Form ist ein Bild einfach das, was Sie sehen. Ein Bild entsteht dadurch, daß die Rezeptoren in Ihrem zweidimensionalen Rezeptorenfeld angeregt werden. Damit ist für uns ein Bild eine mathematische Funktion, die einen endlichen zweidimensionalen Raum abbildet in einen endlichen Merkmalsraum, d.h. jedes Pixel, jeder Ortsvektor in diesem Raum erhält einen Wert. Die Werte können Farben, Helligkeiten sein, es können aber auch Merkmale sein.
Die Bildelemente digitaler Bilder, die mit Pixel abgekürzten Picture Elements, sind eigentlich nur Farbwerte denen bestimmte Koordinate zugeordnet werden. Wie Sie eben beschrieben haben, kann ein Pixel mit einem mathematischen Punkt gleichgesetzt werden. Wie ist die Skalierung dieser Bilder, wie können solche Bilder bemessen werden?
finally the absolute size of a picture is totally irrelevant Fragen der Skalierung spielen eine Rolle in der Darstellung und auch der Aufnahme, sind aber eigentlich vom Bildbegriff unabhängig. Letztendlich ist die absolute Größe eines Bildes für mich völlig irrelevant. Ein Bild kann eine mikroskopische Darstellung sein, es kann eine Aufnahme vom Hubbleteleskop sein – dieser Begriff Skalierung gehört nicht zu den Grundelementen von Bildbegriff.
Was haben Sie für ein Gefühl im Umgang mit digitalen Bildern?
Ich muß gestehen, daß ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht habe. Ich habe hier erst einmal gemerkt, daß die meisten Teilnehmer dieser Tagung einen sehr eingeschränkten Bildbegriff haben: Ein Bild definiert sich über den Inhalt, es geht also nicht um ein Anordnung von Pixeln, sondern das Bild muß auch noch irgendwie eine Aussage haben oder es muß geschaffen worden sein. Manche erwarten, daß ein Bild von einem Künstler erstellt werden muß und betrachten auch eine Photographie nicht als Bild. Dieser Gedanke ist für mich relativ fremd. Es ist mir klar, daß man das machen kann. Aber vor dieser Tagung wäre ich überhaupt nicht auf diese Idee gekommen, eine Photographie nicht als Bild zu betrachten. Insofern macht auch die Frage, was ich für Gefühle beim Bild habe, wenn ich ein Bild betrachte, sehr viel Sinn, wenn man von einem Bildbegriff ausgeht, daß ein Bild etwas Erschaffenes von einem Menschen mit einer gewissen Absicht ist. Aber da ich ja einen sehr allgemeinen Bildbegriff habe, stellt sich diese Frage nicht. Ein Bild ist einfach für mich, das was ich sehe und zwar in jedem Moment. Auch jetzt sehe ich ein Bild. Ich kann nicht generell über die Gefühle reden, die ich beim Sehen habe.
Unterscheidet sich Ihr subjektives Empfinden zu bisherigen Umgangsformen zu Bildern?
Ich unterscheide auch nicht zwischen digitalem Bild und Bild.
Beim Erfinder der fixierten Photographie Henry Fox Talbot schwankt die Einordnung des Bildgewinnungsprozesses zwischen invention und discovery. Sind Bilder als etwas Gebildetes mehr Erfindung oder mehr Entdeckung?
Es wurde mal auf dieser Tagung hingewiesen, daß Bilder manche Leute magisch anziehen, z.B. wurden politische Bilder genannt. Ich empfinde als magische Bilder, Bilder vom Hubble Teleskop. Ich finde diese unglaublich. Die Frage ist, was sieht man da eigentlich? Gibt es diese Dinge – sicherlich, man kann sie nur mit Hilfe von technischen Dingen überhaupt wiederfinden. Haben diese Bilder nun irgendeinen künstlerischen Wert? Niemand hat sie schließlich mit einer gewissen Absicht erstellt. Man hat ja etwas photographiert, was man normalerweise nicht sehen kann. Ich kann mit diesem Begriff „Finden“ oder „Erstellen“ in dem Zusammenhang nichts anfangen.
Gibt es in der Mathematik Bilder?
the mathematical proof as image: a creative process (längere Pause) Interessante Frage. Bilder im Sinne von geistigen Bildern, die in der Vorstellung vorkommen. Ich stelle mir Beweise meist bildlich vor. Also ein Beweis, der verbal linear dargestellt wird, wäre für mich nicht verständlich. Ich glaube schon, daß der Mathematiker, wenn er einen Beweis macht, irgendwelche Bilder vor sich sieht. Man greift auf gewisse Dinge zurück und holt da und dort ein Argument her – für mich ist das schon ein bildnerischer Prozeß. Ich betrachte auch die Tätigkeit, so einen Beweis zu machen – das Wesen der Mathematik ist ja nicht das Rechnen, sondern Beweise zu finden – als einen ziemlich kreativen Akt. Viele Mathematiker sind auch Musiker. Es gibt viel die selbst spielen und auch ein bißchen komponieren, wobei natürlich die Komposition der kreative Akt ist und desto weniger das spielen. Bei mir war es so, daß ich als Mathematiker selbst mal Bilder gemalt habe. Ich habe keine musikalische Vorstellung, vielleicht können andere es musikalisch, ich stelle mir Beweise durchaus geistig als Bilder vor.
Liegt das in der Disziplin begründet oder einfach darin, daß wir als menschliche Wesen bildliche Vorstellungen besitzen?
Bildliche Vorstellungen sind irgendwie leichter verständlich als verbale Feststellungen. Ein Beweis muß einfach sein.
Bauwerken wie der Alhambra oder der Musik von Bach liegt ein mathematisches Prinzip zugrunde. Wie empfinden Sie die zugrundeliegende Mathematik?
Das sind im wesentlichen Wiederholungen und Selbstreflexionen. Das ist weniger Mathematik, das geht vielleicht eher in die Logik. In der Logik hat man ja auch das Prinzip der Selbstreflexion, gerade wenn man noch Bedeutung hinzunimmt. In der Logik hat man Fixpunkte, so was findet man sicher auch in Fugen von Bach wieder. Es ist ja ganz interessant, daß die Fuge von Bach, die Musik ist, die man am leichtesten am Rechner automatisch generieren kann. Es war auch so, daß die meisten Leute diese nicht von der Originalfuge unterscheiden konnten.
Spüren Sie das Mathematische?
Nein.
Sieht man numerischen Bildern als Projektionen oder auf einem Bildschirm ihren immateriellen Grund an?
the carrier of pictures is relatively irrelevant for the picture itself Also ich sehe diesen nicht. Ich finde Ihre Fragen und meine Antworten auch sehr interessant – ich denke selbst darüber nach, was ich hier gerade antworte. Ich habe vorher geantwortet, daß es mir relativ egal ist, ob ich ein Bild direkt vor mir in einem Bildband oder im Rechner sehe. Das hat mich selbst gewundert, daß ich das gesagt habe, aber es ist in der Tat so. Es ist vielleicht bequemer in einem Bildband zu blättern, aber daß ich das noch berühre, das gibt mir keine neue Dimension. Ich glaube, daß für das Bild selbst dieser Bildträger relativ irrelevant ist.
Verändert sich denn das Vertrauen im Umgang mit digitalen Bildern?
the trust in a picture is absolutely not existing Oh, das habe ich aufgrund meines Berufes natürlich nicht, da ich ja weiß, wie man Bilder fälschen und verändern kann, gerade wenn man sich die moderne Filmtechnik ansieht . Also Vertrauen in ein Bild ist absolut nicht vorhanden..
Mathematik agiert wesentlich mit dem Faktor Unendlich. Wie gehen Sie als Wesen mit einem endlichen Denkorgan mit dem Faktor Unendlich um?
For mathematics which essentially occupies with structures, concrete objects do not concern. I consider infinity as a figure like 5 or 7. Dieser Begriff des Unendlichen, der hat früher bei den alten Griechen zu einer großen Krise geführt. Sie konnten einfach mit dem Begriff nicht umgehen und hatten da sehr falsche Vorstellungen in der Mathematik entwickelt. Aber spätestens seit Cantor ist das ein relativ vertrauter Begriff. Für mich ist dieser Begriff ziemlich natürlich. Ich habe nicht die geringste Schwierigkeit damit. Es ist sogar so, daß man in der Mengenlehre (set theory)die Theorie von verschiedenen Graden der Unendlichkeit hat. Man hat verschieden Objekte, jedes ist unendlich, aber dennoch enthält ein Objekt deutlich mehr als ein anderes. Beispiel ist das Verhältnis der natürlichen Zahlen zu den reellen Zahlen. Von beiden gibt es unendlich viele, dennoch haben Sie unendlich mehr reelle Zahlen als natürliche Zahlen. Vereinfacht ausgedrückt: Sie können die natürlichen Zahlen abzählen, die reellen Zahlen kann man nicht abzählen. Wenn man sich damit ein bißchen beschäftigt und sich auch die Beweise anschaut und versteht, dann wird man mit diesen Begriffen sehr vertraut. Es gibt eben in der Logik den Begriff des Unbeweisbaren, es gibt Dinge, die man nicht beweisen kann oder es gibt Sachen, die der Rechner nicht berechnen kann. Da gibt es sogar Abstufungen: Es gibt Dinge, die sind weniger berechenbar als andere. Das kann einem im ersten Moment wie eine Wortspielerei vorkommen kann, jedoch verbirgt sich dahinter ein ganz konkreter mathematischer Hintergrund. Ich glaube, das Wesen der Mathematik gerade die Beschäftigung mit Strukturen ist. Und wenn man sich mit Strukturen beschäftigt, dann spielen konkrete Objekte keine wirkliche Rolle. Für mich ist die Zahl Unendlich genauso eine Zahl wie die 5 oder die 7.
Sie deuteten es schon ein wenig an. Auch die Computer arbeiten mit dem Faktor Unendlich. Verhält sich Unendlich als Operable in Siliziumschaltkreisen anders?
a computer is not intelligent: calculating is a process that needs not a intellectual capacity at all Ich glaube, daß der Computer mit den Zahlen nur in einem sehr eingeschränkten Sinn umgehen kann, indem er eben rechnet, er heißt ja auch Rechner. Was ist rechnen? Wenn Sie Schülern rechnen beibringen wollen, dann sollen die ja nicht unbedingt dabei denken. Die bekommen eine Algorithmus, wie dividiere ich und wie führe ich das rein mechanisch aus: wie schreibe ich meine Zahlen hin, wo mache ich meinen Strich, wo steht am Schluß das Ergebnis. Das wird auch zweidimensional, bildlich ausgeführt. Aber Rechnen selbst ist ein Vorgang der keinerlei intellektueller Leistung bedarf. Sie haben eine Vorschrift und diese führen Sie einfach aus. Das kann der Rechner hervorragend mit einer immensen Geschwindigkeit. Der Mensch kann das auch, aber es fällt ihm recht schwer so eine Vorschrift auszuführen. Das was der Mensch macht, ist was ganz anderes: Er macht in der Mathematik Beweise und der Rechner rechnet. Das sind völlig unterschiedliche Dinge. Ein Beweis, da haben Sie einen Kalkül, d.h. Sie haben Rechenvorschriften, aber es ist frei, wie Sie diese Vorschriften anwenden. Sie können sie so anwenden, daß Unfug rauskommt oder so daß etwas Gescheites dabei rauskommt. Ich bin kein Vertreter der Meinung, daß ein Rechner intelligent ist.
Wie sieht es diesbezüglich mit den Algorithmen aus?
man develops the algorithms Der Mensch entwickelt die Algorithmen. Je komplexer das Problem, um so mehr geistige Leistung muß man in die Entwicklung des Algorithmus investieren. Wenn man den Algorithmus hat, dann führt der Rechner den nur aus. Das ist rein mechanisch. Das könnte man auch mit rein mechanischen Rechnern mit Kurbeln und Walzwerken letztendlich machen, es ist nicht einmal eine elektronischer Rechner notwendig. Nur dieser mechanische Rechner wäre extrem langsam und er hätte wenig Speicherkapazität. Der Unterschied liegt in der Quantität, der den Rechner ausmacht, der äußerlich betrachtet zu einer hohen qualitativen Leistung führt. Die Rechenleistung ist in der Tat beachtlich. Ich hätte als Informatiker vor 10 Jahren auch nicht gedacht, daß die Rechner heute das können, was sie können.
Dem eigentlichen Aufnahmeprozeß wird in der digitalen Bildverarbeitung meist noch eine algorithmische Weiterverarbeitung angehängt. Kann man dies als eine Art zusätzliche, informationsbasierte Optik begreifen?
obviously algorithms can be considered as a part of the optical system In der Bildverarbeitung kann man dies durchaus so sehen. Es ist ja so, daß das, was Sie im Sensorbereich haben, hängt von den physikalischen Eigenschaften Ihres Sensors ab und vielleicht möchten Sie etwas ganz anderes haben. Z.B. bei einer 1-Chip-Kamera erhalten Sie pro Pixel eigentlich vier verschiedene Farben, die technisch durch irgendwelche Mikrofilter vorgegeben sind. Diese Farben interessieren Sie als Mensch gar nicht. Das wird dann direkt auf dem Sensor in ein RGB-Bild umgerechnet. Das wird auch noch so umgerechnet, daß die Kontraste verstärkt werden auf Kosten der Güte der Farben und zwar so, daß man ein Bild erhält, daß der Mensch vom Fernsehsehen her gewohnt ist. D.h. diese Algorithmen sind praktisch ein Teil der Optik. Aufgrund der physikalischen Einschränkung der Sensoren wird das Bild so umgerechnet, daß das Bild den Eindruck erweckt, es sei ein anderes physikalisches System da, eine andere Optik, die das Bild aufgenommen hat. Das habe ich vorher noch gar nicht so gesehen. Aber offensichtlich kann man Algorithmen als Teil der Optik auffassen.
Gibt es auch einen blinden Fleck, Bereiche, die diese algorithmisch erweiterte optische Aparatur nicht wahrnimmt?
singularities in a colour space: an example for a blind spot in algorithmic imaging In dem Sinne würde ich dies erwarten, denn Sie können nicht davon ausgehen, daß Sie mit Ihren physikalischen Sensorsystemen alle relevanten Daten erhalten. Werden Daten in ein anderes System übertragen, dann werden Sie an irgendwelchen Stellen raten müssen oder Fehler machen müssen. Nehmen wir ein anderes Beispiel: Sie rechnen von einem Farbraum in einen anderen Farbraum. Was ist ein Farbraum, kurz gesagt: Jede Farbe wird dreidimensional repräsentiert, sie haben einen Ort, einen Pixel mit Werten. Wenn Sie diesen Werten sagen wir mal sie Farben im roten, grünen und blauen Wellenlängenbereich zuordnen, dann das wäre dann ein dreidimensionales RGB-Bild. Sie können aber an jedem Ort, an jedem Pixel auch andere Werte haben, wie z.B. vom künstlerischen Farbmodell her einen Hue-Wert, das ist ein Winkel der die Farbigkeit darstellt. Sie haben dann einen weiteren Wert, der die Sättigung darstellt, wie hoch der Weißanteil in der Farbe ist (eine reine Farbe hat ein hohe Sättigung, eine ungesättigte tendiert zu weiß unabhängig vom Hue-Wert) und sie habe noch die Helligkeit. Da haben Sie einen blinden Fleck, weil es eine Singularität in diesem HSV-Farbraum gibt. D.h. je ungesättigter ein Bild ist, oder je dunkler, umso unklarer ist der Hue-Wert. Der springt in der Tag dann hin und her. Ein interessantes Analogon.
Durch die Verwendung von Begriffen verallgemeinert Sprache stets. Bilder hingegen stellen jeweils immer das konkrete Einzelne dar. Z.B. faßt der Begriff „Baum" einen gesehenen Baum in eine ganze Gruppe möglicher Bäume. Ein Bild eines Baumes bezieht sich selbst nur auf einen ganz bestimmten. Wie sehen Sie das Verhältnis von Sprache und numerischen Bildern, das Verhältnis von Speziellem und Allgemeinem?
images as a contingent variable: images are more a sound, they don’t need to have a meaning Diese Frage stellt sich mir nicht. Denn in der Informatik, jedenfalls in dem Teil, den ich vertrete, haben Bilder einen abstrakteren Bereich. Ich sehe auch nicht den Vergleich mit der Sprache, wo das Wort und der Inhalt das Entscheidende ist. Für mich entspricht ein Bild mehr einem Geräusch, das gar keine Bedeutung haben muß. Z.B. wird in der Bildverarbeitung ein Bild auch als Zufallsvariable aufgefaßt. Wenn man von einer Zufallsvariablen als Bild spricht, dann sehen Sie schon, daß der Begriff der Bedeutung, völlig irrelevant ist. Aber in der Tag gibt es noch andere Gebiete, wo die Bedeutung eminent wichtig wird, wie beim Rechnersehen oder der Bildinterpretation, wo der Rechner gerade versuchen soll, aus dem Bild, dieser Zufallsvariablen, die vorhandenen semantischen Objekte herauszufinden, Objekte als ein Art Ansammlung von Pixeln, die irgendeine Bedeutung haben auf der Ebene des Verstehens. Da wird das Gebiet extrem kompliziert. Darüber kann man stundenlang reden. Wie kann man in einem Bild, das erst mal nur ein Rauschen, nicht einmal Rauschen sondern nur eine Zufallsvariable ist, Bedeutung finden. Das kann man meiner Meinung nach nur in gewissen Kontexten. Da braucht man natürlich einen eingeschränkten Bildbegriff. Sie können z.B. Bilder nur aus einem ganz bestimmten Bereich nehmen. Bei der Verkehrszeichenerkennung haben Sie natürliche Szenen von Landschaften, wo üblicherweise auch Straßen involviert sind. Ohne Straßen machen Verkehrszeichen wenig Sinn. Der Rechner hat nun die Aufgabe in Bildern aus diesen Szenen, Verkehrzeichen zu finden. Meiner Meinung nach wird das zurückgeführt auf hoch komplizierte, ineinander spielende Algorithmen, die ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen entwickeln muß. Der Rechner führt dann seine Rechnungen aus und es ist dann ein Prozeß des Findens. Das hat wenig mit irgendwelcher Gestaltwahrnehmung zu tun, wie es in der Psychologie ist. Da sind natürlich riesige Unterschiede zwischen dem, was ein Mensch mit Bildern macht, wie er sieht und dem, was ein Rechner sieht.
Ich möchte nochmal auf das Doppeldasein digitaler Bilder als Code und als bildliche Erscheinung zu sprechen kommen.
is a fugitive series of 0 and 1 still an image? Das ist eine besondere Frage: Ab wann wird trivial ausgedrückt ein Bild ein Bild. Genügt es, daß es irgendwo in einem Datenspeicher als eine Bitfolge repräsentiert ist oder muß es wirklich visualisiert werden, damit es ein Bild wird. Es gibt z.B. in der Physik das Problem, daß man wissen möchte bei Beschleunigern, nachdem gewissen Zusammenstöße von Teilchen stattgefunden haben, ob da bestimmte Teilchen entstanden sind. Dann nimmt man dreidimensionale Aufnahmen aus einer Nebelkammer und bekommt da extrem viele Bilder, da dort sehr schnelle Prozesse ablaufen. Sie haben dort durchaus eine Million Bilder pro Sekunde und sie müssen die einfache Frage beantworten, ob dort ein Kreis vorkommt. Gibt es also ein Teilchen in der Nebelkammer, das sich kreisförmig bewegt? Was macht man da? Man hierfür Spezialrechner gebaut, die direkt, wenn diese Bilder erzeugt werden – es sind so viel, daß man sie nicht speichern möchte, sie werden nur kurz zwischengespeichert – untersuchen, ob es da einen Kreis gibt. Und nur wenn ein Kreis gefunden wird, werden diese Bilder gespeichert und behandelt. Aber all die anderen Bilder, die nur als so eine 01-Folge vorlagen, sind das in dem Sinne Bilder? Die sind ja nur ganz kurz da und dann wieder weg. Nur diese Bilder werden weiter behandelt, bei denen gewisse Merkmale vorgekommen sind. Ich weiß nicht, wie genau das ist bei astronomischen Aufnahmen, wenn sie extrem viele Daten haben, ob man alle Bilder, die man dann hat, wirklich mal anschaut. Ich könnte mir auch vorstellen, daß man im militärischen Bereich von den wahnsinnig vielen Bildern, die man hat von Satelliten, daß die mechanisch-rechnerisch ausgewertet werden und nur diese Bilder von Menschen betrachtet werden, bei denen gewisse interessante Merkmale sind. Die anderen werden überhaupt niemals betrachtet oder ausgedruckt. Sind das dann noch Bilder in Ihrem Sinne, wenn diese nur noch im Rechner als 01-Folge vorliegen?
Wenn nun im World Wide Web Bilder potentiell jederzeit an jedem Ort erscheinen können, stellt sich da nicht ein völlig neuer Bezug zur Örtlichkeit von Bildern ein? Wie würden Sie diesen Ort beschreiben?
Es ist wie bei der Frage nach der Auflösung, der Ort ist völlig irrelevant. Es spielt doch für die Mona Lisa keine Rolle, daß sie im Louvre hängt.
Um ein Beispiel für das Verhältnis von analog und digital aus der Musik zu verwenden: eine Notation kann in Form einer Partitur in eine musikalische Aufführung umgesetzt werden. Die Fülle und die Dichte (Nelson Goodmann spricht von einer unendlichen Dicht im analogen Bereich) der musikalischen Realisation steht im Kontrast zu den wenigen schwarzen Punkten und Linien auf dem Notenblatt. Eine ähnliche Frage stellt sich bei einem Digital/Analog-Wandler. Wo kommt die Fülle beim Wandlungsprozeß von digital zu analog her?
screen images: the poverty of pictorial representation Ja unendliche Dichte ist schon mal interessant. Musik hört man analog. Dann ist die Frage, wenn ich digitalisieren will, wie taste ich ab. Hört der Mensch eine unendliche Dichte, das würde ich erst einmal bezweifeln. Das sind so schöne Gleichnisse, um etwas auszusagen über die Betroffenheit, wenn man etwas fühlt, wenn man etwas anhört. Natürlich ist es ein ganz großer Unterschied, ob ich bei einem Musikstück einfach das lese in Form von Noten oder ob ich die unterschiedlichen Aufführungen mir anhöre. Beim Bild ist glaub ich der Unterschied nicht so groß. Natürlich muß ich ein Bild auch sehen können, aber die Unterschied in der Darstellungsweise spielen nicht so eine große Rolle, wie in der Musik. Ich glaube, daß der Unterschied in der Darstellung von Bildern in der Qualität nicht so groß ist, wie bei der Aufführung von Musikstücken. Vielleicht weil ein Bild einfach schon weniger Informationen in dem Sinn enthält.
Wir haben uns schon daran gewöhnt, jedenfalls in meinem Bereich, daß ein Bild eh nur aus einer kleinen Anzahl von Pixel besteht. 1200 mal 800 Pixel, da freuen wir uns schon drüber – das ist in Wirklichkeit lächerlich. Wie ich noch jünger war, da habe ich noch große Unterschiede gesehen, ob ich mir ein Bild als Dia angeschaut habe oder als einen Abzug, das Dia hatte einfach eine viel höhere Informationsdichte. Es ist interessant, aber gerade in der Beschäftigung mit meinem Medium vergißt man, dies zu schätzen. Es kann sein, daß man, wenn man sich als Informatiker mit dem Medium Bild auseinandersetzt, vergißt auf diese Dinge zu achten. Ein Bild wird auf dem Bildschirm dargestellt und man gewöhnt sich doch an diese Schlechtigkeit der Darstellung.
interview by Tim Otto Roth from 28september 2003 at Magdeburg during the congress "Bildwissenschaft - zwischen Reflektion und Anwendung"
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