Klaus Rehkämper - philosopher


"There is nothing in an image that could not be described by language "
(links for Klaus Rehkämper)

Klaus Rehkämper is professor for philosophy at the University Oldenburg.
Was für eine Rolle spielen Bilder in Ihrem beruflichen Tätigkeitsfeld?
are mental images really images?
In den letzten 10 Jahren habe ich mich erst mit mentalen, also inneren Bildern beschäftigt und bin dann übergegangen zu äußeren Bildern, aber immer unter der Fragestellung, wie sie etwas darstellen und wir Bezüge von den Bildern zu den Gegenständen herstellen – gibt es z.B. Bezüge von den Bildern zu Gegenständen oder wird alles von uns in der Wahrnehmung hergestellt? Die Ausgangsfrage war eine ganz philosophische, ob mentale Bilder denn tatsächlich Bilder sind: Also was macht das zu einem Bild, wenn man sich etwas vorstellt?
Soll ich das nun kantisch verstehen?
introspective images: nobody sits in our head watching them Das ist leider immer so ein Vorurteil, auf das man trifft, wenn man einen Vortrag hält. Da kommt in der Fragerunde immer einer mit Kant. So ist das eigentlich gar nicht gemeint. Es ist vielmehr eine ziemlich einfache, platte Frage. Wenn wir nachdenken, empfinden wir introspektiv gewisse Dinge als bildhaft. Wie kann man dies nun mit einem externen Bildbegriff zusammenbringen, wenn man z.B. davon ausgeht, daß zu einem externen Bilder immer schon jemand gehört, der es betrachtet. Bei uns im Kopf ist niemand, der das betrachtet. Also fällt dieses Element weg. Ist damit nun schon gesagt, daß das, was wir introspektiv erfahren, gar keine Bilder sein können? Darum ging meine erste Untersuchung überhaupt, die durch eine ganz praktische Fragestellung angeregt war. Ich habe mal für die IBM in einem Projekt über Textverstehen mitgearbeitet. Da war die Frage, wenn Menschen Texte verstehen, dann produzieren sie intern auch solche bildhaften Vorstellungen, wenn die Beschreibung nur dazu geeignet ist. Muß man das eigentlich bei einer textverstehenden Maschine berücksichtigen, indem man sagt, da muß mehr drin sein, als nur eine Liste der Informationen, also ob die Informationen auch in einem bildhaften Format repräsentiert sein müssen
Das Englische differenziert beim Bildbegriff zwischen image und picture. Beim Bildverarbeitungsprozess spricht man heute von imaging aber nicht von picturing. Ist dies begriffliche Verschiebung lediglich metaphorisch zu sehen oder steckt da vielleicht mehr dahinter?
no clear definition of the notion of image Das Englische ist nicht das erste, was hier einer Unterscheidung trifft. Im Lateinischen hat man imago und pictura. Da ist das schon angelegt. Im Englischen ist das noch schlimmer. Da kann image unglaublich viel bedeuten. In der philosophischen Tradition können dies Gedanken sein, wo wir heute sagen, daß ein bildhafter Charakter gar nicht unbedingt damit gemeint ist. Deswegen ist das schwer für mich jetzt zu beantworten, ob es da eine Verschiebung gegeben hat, weil ich gar nicht sagen kann, daß dies vorher klarer war.
Neben der lateinischen Unterscheidung gibt es noch die griechische. Hier auf dem Kongreß wurde eigentlich nur vom icon gesprochen, wie sieht es denn mit dem eidos aus?
complexity of the German notion "Bild" Eidos ist viel umfassender, darunter fällt viel mehr. Hier beschränken wir uns auf der einen Seite, was so intuitiv als Bild empfunden wird. Auf der anderen Seite rutschen wir jetzt in so Diskussionen, ob ein gewisser Datentyp oder ein Code, woraus man ein Bild produzieren kann, schon ein Bild ist. Das entspräche schon viel eher der Unterscheidung zwischen image und – was wäre das nun im Deutschen? [kleine Pause, lacht] - da haben wir es: wir haben nur das Wort Bild. Gestern behalf sich einer mit dem Ausdruck von bildhaften Bildern....Vielleicht wird uns jetzt deutlich, daß der deutsche Ausdruck Bild so vielschichtig ist, daß er vielleicht mehr umfaßt, als wir wirklich unter einem Ausdruck subsumieren sollten.
Ich muß gestehen, daß Fragen, die in diesemKontext gerne gestellt werden, ob z.B. Hörbilder Bilder sind, für mich am Punkt aber vorbeigehen.
Wie empfinden Sie auf der subjektiven Ebene digitale Bilder? Hat sich da was im alltäglichen Umgang mit Bildern verändert?
we need to learn that images are able to lye Ich denke, es wird sich etwas verändern müssen, weil – zumindest in dem Bereich von Bildern, womit ich mich beschäftige – klar abbildende Bilder im intuitiven Umgang zwei Konotationen haben: Zum einen lügen sie nicht. Ja sie lächeln jetzt – wenn man aber in der Zeitung ein Photo sieht, so glaubt man das einfach. Vor dem vorletzten Irakkrieg glaubten wir alle noch, daß Kriegsberichterstattung noch zeigt „wie es ist“. Wir müssen langsam lernen, daß Bilder einfach lügen können. Sprachlich betrachtet stammt das deutsche Wort „wissen“ von videre, also dem lateinischen sehen. Das haben wir irgendwie noch so drin
Die digitalen Möglichkeiten, Bilder zu verändern, ohne daß wir das bemerken, sind so mächtig geworden. Natürlich konnte man das früher auch, z.B. konnte man Photographien retouchieren. Aber es konnte nicht jeder und es war nicht alltäglich, daß dies geschieht. Und es war nicht so im Bewußtsein, daß man bestimmte Ausschnitte wählt, um wirklich etwas einzusetzen, um wirklich eine Meinung zu machen, was wir von der Sprache durch die Rhetorik gewöhnt sind. Das jemand lügt oder nur die halbe Wahrheit sagt, wenn jemand redet, davon gehen wir wie bei Politikern ganz häufig aus. Wir müssen lernen, das heute so was mit Bildern viel einfacher möglich ist. Das andere ist, daß wir zumindest im wissenschaftlichen Kontext Bilder nun doch wieder nicht so ernst nehmen, daß man mit Ihnen wirklich Informationen transportiert. Also wenn man Studenten beide Möglichkeiten offen läßt, die gleiche Information entweder über Text oder Bilder zu bekommen, so glauben diese den Texten mehr. Genau der Intuition entgegengesetzt, daß Bilder nicht lügen, glaubt man einem wissenschaftlichen Text mehr als einem wissenschaftlichen Bild.
In den Wissenschaften arbeitete man traditionell mit dem Experiment, bei dem man Messungen vornimmt, oder mit wissenschaftlichen Aufnahmen. Heute werden Bilder digitalisiert und in Form von Daten gespeichert. Kann man zwischen Meßdaten und Bilddaten noch eine Grenze ziehen?
MRT- Aufnahme
images invite to interpret to much
Zumindest noch in der Interpretation. Ich weiß nicht, ob es das ist, worauf Sie hinauswollen, was ich jetzt als plakatives Beispiel anführe: Momentan sind MRT-Aufnahmen in der Neuropsychologie der Renner. Ich habe letztens einen Vortrag von jemandem gehört, der über bestimmte Zusammenhänge gesprochen hat, was sie bei Experimenten herausbekommen haben und welche Hirnareale nun aktiv werden. Dann fing er an auf dem Bild, was er hat, die Pixel zu zählen, die zu einem bestimmten Areal gehören. Da kann ich nur sagen kann: Der hat keine Ahnung, worüber der eigentlich redet, weil das Bild das eigentlich gar nicht mehr hergibt. Er hat jetzt ein standardisiertes Gehirn auf dem er seine Aktivitäten abgebildet hat und er kannt nicht sagen, 6 Pixel sind noch auf dem Areal. Das ist eine absolute Überinterpretation dessen, was da vorliegt. Natürlich ist das Bild die Grundlage, es ist die Messung oder ersetzt die Messung. Aber es lädt einige Leute zur Überinterpretation ein, was früher bei physikalischen oder chemischen Experimenten nicht so einfach möglich gewesen wäre.
Bei der Computerprogrammierung kann von einem konventionalen Symbolsystem sprechen. Kann man nun von einer Art von Versprachlichung bei der Digitalisierung Bildern sprechen, sprich gibt es eine Analogie zwischen digitalen Bildern und Sprache?
language and image have different possibilities to point out qualities of objects Nein, ich denke nicht. Nur dadurch, daß man Bilder in einem Computercode, den wir proportional nennen würden, erfassen kann, wird des nicht automatisch sprachlich, da zur Sprache mehr gehört, als lediglich aus kleinen Einzelelementen zusammengesetzt zu sein.
Das Bild hat andere Möglichkeiten, Eigenschaften von Gegenständen hervorzuheben, als das die Sprache es tut. In der Sprache kann ich mich auf einen Aspekt konzentrieren, indem ich genau eine Eigenschaft betone. Wenn ich vom Bundeskanzler spreche, dann ist es egal, wie er aussieht und was er sonst noch macht, er muß nur diese eine Eigenschaft besitzen. Das kann ich im Bild nicht. Auf der anderen Seite habe ich im Bild die Möglichkeit über Ähnlichkeiten, die Beziehung herzustellen, was ich in der Sprache nicht habe.
Gibt es eine bildimmanente Logik, also ein bildinternes Beziehungsgeflecht, die sich einer Versprachlichung entzieht?
there is nothing in an image that could not be described by language Nein. Ich glaube nicht, daß es etwas an oder in Bildern gibt, was man nicht sprachlich beschreiben könnte. Was ich eher unterschreiben würde, ist, daß ich niemals fertig werde, zu beschreiben, was in einem Bild passiert.
Es ist also eine Frage der Praktikabilität?
Ja, um aus einem anderen Gebiet ein Beispiel zu nennen: Natürlich gehe ich davon aus, daß es in der deutschen Sprache feste Regeln gibt, an die ich mich halte. Das heißt aber nicht, daß ich alle Regeln irgendwann mal auflisten könnte.
Gibt es Bilder in der Mathematik?
Ja klar! Die einfachsten sind natürlich die der Geometrie, Veranschaulichungen von irgend etwas. In der Logik gibt es Venn-Diagramme, um den Leuten etwas klar zu machen.
Wie schaut es aus, wenn man Mathematik architektonisch oder musikalisch umsetzt. Spürt man die zugrundliegende Mathematik? Sieht man z.B. die Mathematik bei der Alhambra oder hört man sie in der Musik von Bach?
feeling: a vague notion Das ist auch so eine komplizierte Frage. Erst einmal muß man sich der Mathematik nicht bewußt sein. Ich kann also Bach mögen, ohne die blasseste Ahnung davon zu haben, welche Strukturen und Feinheiten mathematischer Art dahinter stehen – das gleich gilt für die Architektur. Ob man sie spürt – da muß ich bei der Antwort passen, der Ausdruck spüren ist mir da einfach zu vage.
Das ist genau so: Viele Mathematiker sprechen davon, daß Mathematik oder ein schöner Beweis eine Ästhetik besitzt, die man erfahren kann. Ja das mag für Mathematiker gelten, ich spüre sie als Nichtmathematiker, zumindest nicht in dem Maße, den sie dabei haben.
Wie verhält es sich in der Mathematik mit dem Faktor Unendlich, in der Hinsicht darauf, daß wir endliche Wesen sind?
infinity of the universe transcends the imagination Für mich gibt es da kein Problem. Ab und zu habe ich das Gefühl, ich verstehe nicht, was das Unendlich denn sein soll. Also wenn mir jemand sagt, das Universum sei unendlich, so übersteigt das einfach mein Vorstellungsvermögen. Aber zu lernen, daß es unendlich viele Zahlen gibt, damit habe ich wenig Probleme.
Im IT-Bereich werden numerisch basierte Informationen, seien es Bild-, Text- oder andere Mediendaten unter dem Begriff "content" zusammengefasst. Wie betrachten Sie diese definitorische Gleichsetzung unterschiedlicher Medientypen als "Inhalt"?
"content" doesn't implicate content Das halte ich für eine pragmatische Herangehensweise, die viele Unterscheidungen verwischt. Wobei ich beim Code, das ein Bild erzeugen kann, nicht von einem Bild reden würde, genauso wenig, wie ich von einem Code, aus dem sich ein Text ergibt, von „dem“ Text reden würde. Es ist auch nicht „der“ Inhalt des Textes, sondern eine Möglichkeit die Buchstaben zu kodifizieren, aber nicht unbedingt den Inhalt. Der ist zwar irgendwie damit verbunden, aber es ist nicht „der“ Inhalt und „der“ Text. Wenn ich z.B. eine CD-ROM habe, worauf der Faust ist, dann wird da erst Faust draus, wenn er auf dem Bildschirm erscheint. Genausowenig wenn ich Faust auf einer Schallplatte habe, dann ist der Faust irgendwie auf der Platte drauf, aber es ist nicht „der“ Faust.
Ich habe heute morgen einen Wagen mit Werbung gesehen, worauf steht, was eine bestimmte Agentur so alles macht. Als letzter Punkt stand, sie machen Events. Da habe ich mir so überlegt, daß das der Ausdruck dafür ist, wenn jemand nicht so genau beschreiben will, was er eigentlich genau tut. Es ist so ein absoluter, leerer Überbegriff, weil Event kann im Prinzip alles sein. Es sagt gar nichts mehr, es klingt nur gut.
Noch einmal zurück zum Verhältnis von Bild und Code. Wenn ich Bilder in eine digitale Form bringe, dann wandle ich ein nichtlineares Zeichensystem in ein lineares Zeichensystem. Wie sehen Sie diesen Wechsel der Zeichensysteme?
the problem of codification
and being in love
Hier ist die Rede von zwei verschiedenen Dingen. Einmal rede ich über einen Programmcode, das ist nicht das Bild. Die Eigenschaften, die er hat, müssen auch nicht die Eigenschaften sein, die das Produkt hat, was ich daraus hervorbringe. Das ist genauso wenn ich in Anführungszeichen sagen würde, natürlich bin ich in einem Gehirnzustand, wenn verliebt bin. Diesen Gehirnzustand kann ich beschreiben. Die Beschreibung hat aber völlig andere Eigenschaften als verliebt zu sein. Natürlich basieren meine Gefühle darauf, ich gehe davon aus, daß das Gehirn etwas damit zu tun hat. Ich kann aber nicht die Eigenschaften, die ich dem Zustand Verliebtsein zuschreibe, dem Gehirnzustand zuschreiben, der dabei aktiv ist. Das ist einfach eine Verwechslung der Kategorien.
Was ich spannend finde, ist, wie es zu dem Wandel kommt, also wie es von der Beschreibung, oder wir haben oft von Notation gesprochen, zum Tatsächlichen kommt.

a water molecule
isn't wet
Es kommt zu diesem Tatsächlichen genauso, wie es dazu kommt, daß bestimmte Moleküle, wenn sie in einer bestimmten Form angeordnet sind, die Eigenschaft bekommen, Wasser zu sein und naß zu sein. Aber es macht überhaupt keinen Sinn von einem Molekül zu behaupten, es wäre naß. Es ist eine Eigenschaft, die einem System oder einem Ganzen zukommt, die aber keinem einzigen Teil davon zukommen muß.
In der Tradition nahmen Bilder oft eine wichtige religiöse Funktion ein. Besitzen Bilder heute auch außerhalb des religiösen Kontexts mythischen Charakter?
images as substitutes of reality Ja, wenn man einen ganz weiten Begriff von mythisch zugrundelegt. Denn ich glaube, daß Bilder in vielen Fällen anfangen, die Realität zu ersetzen, z.B. in Computerspielen oder mit weitaus weniger mythischem Charakter als virtuelle Realität, wie sie bei Autofirmen eingesetzt wird, also wenn man das Auto nicht nur von außen anschauen sondern sich schon reinsetzen kann.
Kann man in der Bildwissenschaft überhaupt die ganzen emotionalen Aspekte mit berücksichtigen?

we have to study the psychological effects of images
Hier sollte man vielleicht auch zwei Sachen unterscheiden. Ich hatte einmal in einem Aufsatz eine Interpretation zu „Las Meninas“ von Velazquez gemacht, die sich einfach mit Perspektive beschäftigt hat. Da habe ich von einem Kollegen zu hören bekommen, so könne man mit dem Bild nicht umgehen. Ich denke, natürlich kann ich mit dem Bild so umgehen, bloß deckt es nicht alles ab, was man über das Bild sagen kann. Das ist die eine Art von Emotion die hervortritt: Ja das dürfe man mit Kunst so nicht machen, Kunst als Zeichen oder Abbild zu sehen, das sei zu platt und gehe deshalb nicht.
Die andere Richtung ist natürlich, daß man mit Bildern Emotionen erzeugen kann und sie ganz bewußt einsetzen kann, wie man eben Rhetorik eben ganz bewußt in der Sprache einsetzen kann. Das zweite kann man nun untersuchen und sicherlich auch beschreiben. Beim ersten bin ich der Meinung, daß es sich viel eher um ein Mißverständnis handelt, was man mit einem Bild machen darf und was nicht. Das zweite, gerade die psychologische Wirkung von Bildern, das kann man nicht nur untersuchen, sondern vielmehr muß man diese untersuchen – gerade heute.
Wenn Bilder abstrakt werden, dann bekommen sie oft musikalische Züge. Wie sehen Sie das Verhältnis Bild und Musik?
music as concept to talk about abstract images Das ist eine schwierige Frage. Weil Musik zunächst einmal den Aspekt des Abbildens, den Bilder haben, selbst nicht haben kann. Dieser Aspekt fällt meines Erachtens bei Bildern völlig raus. Deswegen finde ich den Vergleich jetzt etwa schwierig. Zwischen abbildenden Bildern und abstrakten Bildern kann man immerhin noch versuchen, Zusammenhänge herzustellen. Gut, bei abstrakten Bildern kann man von Farbklängen und den Emotionen, die sie hervorrufen, sprechen. Bei Musik habe ich gar keine andere Chance, sie kann nichts anderes – was ja nicht abwertend gemeint ist. Bei Bildern ist es dann eher so, daß Ausdrücke wie Farbklang zeigen, daß da dann die Musik Priorität hat. Sie gibt augenscheinlich die Begrifflichkeit vor, mit der man überhaupt noch über solche Bilder sprechen kann.
interview from 28 September 2003 at Magdeburg during the congress "Bildwissenschaft - zwischen Reflektion und Anwendung"
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apl. Prof. Dr. Klaus Rehkämper 

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