When a point is emitting unpolarized and homogeneous undulations equally in all directions, its state may be defined by two numbers; as, for instance by the wavelength of the undulations and their amplitude at a certain distance from the point. If the light is not homogeneous, indefinitely more numbers will be required to define it. But when a point upon the retina is illuminated, just three numbers are in every case requisite to define the sensation produced. In other words, light is a triple sensation.
Charles Sanders Peirce (1878)


Triple Sensation

Ein Bild? – eigentlich sind es mindetens drei Bilder, die in den farbigen Aufnahmen des Nachthimmels in Triple Sensation zu sehen sind. Die Farbbilder wecken Assoziationen zur populären Ästhetik der Bilder des Hubble Raumteleskops, sie sind jedoch ungleich älter, wurde sie doch aus historischen astronomischen Aufnahmen rekonstruiert. Die Originalaufnahmen des Zyklus sind in der Periode von 1890 bis 1930 auf Schwarzweiß-Fotoplatten entstanden, die farblich unterschiedliche Empfindlichkeiten aufwiesen. Durch die Zuordnung von jeweils einer Farbe zu einer der Platten entsteht in der Überlagerung ein mehrfarbiges Bild.


Das Farbkomposit (rechts unten) der beiden Gasnebel im Sternbild Orion wurde aus drei Glasplattenaufnahmen synthetisiert, die1896 in Arequipa (Peru), 1906 an der Landessternwarte Heidelberg-Königstuhl und 1914 in Cambridge, MA (USA) entstanden. Die Belichtungszeit der relativ lichtschwachen Himmelsobjekte betrug zwischen 30 und 256 Minuten. Die letzte Platte, die mit einem Gelbfilter in der Nacht von Halloween aufgenommen wurde, zeigt die nachträglichen Inskriptionen der „Computer“, sprich der Frauen, die die Bildauswertung vornahmen.

Obgleich technisch solche farbige Aufnahme des Firmaments mit damals gebräuchlichen Farbverfahren hergestellt hätte werden können, so sind derartige Bilder nicht überliefert. Der Zyklus macht somit auf ein Curiosum in der Geschichte apparativer Bilder aufmerksam: Erst rund 100 Jahre nach den ersten farblichen Gehversuchen in der Photographie hielt mit der Einführung neuer Farbfilme Ende der 1950er Jahre die Farbe schrittweise Einzug in die astronomische Photographie. Erst in den 1960er und 1970er Jahren begann man, aus Schwarzweißaufnahmen farbige Bilder zu komponieren. Die aus historischen Schwarzweißaufnahmen komponierten Aufnahmen von Triple Sensation zeigen, daß es prinzipiell früher möglich gewesen wäre, mittels Komposittechniken astronomische Farbbilder zu synthetisieren. Daß dies offensichtlich aber keine Anwendung fand, mag an dem Mißtrauen der Astronomen gegenüber dem menschlichen Farbensehen mit gelegen haben. So weist bereits 1878 der spätere Begründer der Semiotik, Charles Sander Peirce (1839–1914), in der Einleitung seines Buches zur photometrischen Messung von Sternenlicht darauf hin, daß es in spektraler Hinsicht bei nicht homogenem Licht undefinierbar vieler Zahlen bedarf, um dieses quantitativ zu erfassen. Sobald aber das Licht die Netzhaut erleuchtet, ganz gleich ob es von einem Gasnebel im Sternbild Orion oder lediglich dessen Abbildung herrührt, so reichen jeweils drei Zahlen aus, um die hervorgerufene Empfindung zu beschreiben: „In other words, light is a triple sensation.“ Implizit stellen so astronomische Bilder, seien sie schwarzweiß oder wie hier farbig synthetisiert, das menschliche Dreifarbensehen als Maß für das Farbensehen in Frage.

pd
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Das Bildkomposit des Nebels im Sternbild Orion entstand in enger Zusammenarbeit mit Richard Hook (ESO) und Alison Doane (Harvard College Observatory). Ein ausführlicher Essay mit astronomiegeschichtlichen Hintergründen ist erschienen unter dem Titel Das Mißtrauen gegenüber der Farbe im Bild - zur späten Ankunft der Farbenfotografie in der Astronomie in der Serie "Ein Bild" im Rundbrief Fotografie 20 (Dezember 2013) Nr. 4, S. 3-4.

Noch weiter in die Tiefe geht der im Sommer 2013 auf Englisch erschiene Sammelbandbeitrag Colour beyond the sky – the chromatic revolution in astronomy. Der gemeinsam mit dem Astrophysiker Bob Fosbury verfasste Aufsatz zeigt auf,  wie seit der Erfindung des Teleskops der Himmel nicht nur näher rückte, sondern wie er auch immer farbiger wurde. Der Beitrag arbeitet die chromatische Revolution heraus, die mit der Einführung der Spektroskopie, die Astronomie in die Astrophysik verwandelte, er sucht aber auch nach Antworten, warum Farbe in astronomischen Bildern vergleichsweise spät, erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Einzug gehalten hat. Der Aufsatz stellt zudem zahlreiche Bezüge, in die Kunst- und Geistesgeschichte her, und fragt darüber hinausgehend, ob es echte Farben (true colours) in Bildern überhaupt geben kann.
Roth, Tim Otto; Fosbury, Robert F.: Colour beyond the sky – the chromatic revolution in astronomy, in: Blassnig, Martha (Ed.): Light, Image, Imagination – The Spectrum beyond Reality and Illusion, Amsterdam (Amsterdam University Press) 2013, pp. 242-268.

 

 


 

 


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Covermotiv auf der Rückseite des aktuellen Ausgabe des Rundbrief Photographie (Bd. 20, Dez. 2013)